all 1 comments

[–]jungpionier[S] 1 insightful - 1 fun1 insightful - 0 fun2 insightful - 1 fun -  (0 children)

CDU-Politiker gegen "politischen Islam"- "Die Werte unseres Staates werden nicht respektiert" Exklusiv für Abonnenten Imame sollen künftig Deutsch sprechen, in Schulen soll die Zahl von Kindern mit Migrationshintergrund begrenzt werden: Der CDU-Politiker Carsten Linnemann will härter gegen den "politischen Islam" vorgehen. Wie will er das durchsetzen? Von Ralf Neukirch 15. Februar 2019

SPIEGEL: Herr Linnemann, in der CDU-Zentrale gab es ein Werkstattgespräch zur Migrationspolitik, das den Riss, der in dieser Frage durch die Union geht, kitten sollte. Sie fordern jetzt eine Diskussion über den Islam und reißen damit alte Wunden wieder auf. Warum machen Sie das?

Linnemann: So ein Thema können Sie nicht mit einem Werkstattgespräch erledigen. Wir sind an einem Punkt, wo die eigentliche Herausforderung auf uns zukommt, nämlich die kulturelle Integration Hunderttausender Flüchtlinge vor allem aus islamischen Ländern. Wir haben noch nicht begonnen, uns ernsthaft, also ohne Scheuklappen, darüber zu unterhalten.

SPIEGEL: In einem neuen Buch zu dem Thema, das Sie herausgeben, steht der Satz: "Es ist noch ein langer Weg, bis der Mainstream des real existierenden Islam zu Deutschland gehören wird." Wollen Sie diese Debatte wirklich wieder eröffnen?

Linnemann: Die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, wurde nie zu Ende diskutiert. Das wäre aber wichtig. Wir sollten uns zumindest alle darauf einigen können, dass der politische Islam nicht zu Deutschland gehört.

SPIEGEL: Wie unterscheiden Sie zwischen Islam und politischem Islam?

Linnemann: Der politische Islam beginnt nach meiner Auffassung dort, wo jemand die Scharia über unsere Rechtsordnung stellt. Die Universität Münster ist in einer Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass nahezu 50 Prozent der hier lebenden türkischstämmigen Bürger es für wichtiger halten, die Religionsgebote zu befolgen als die Gesetze des Staates. Darauf müssen wir reagieren.

SPIEGEL: Sie sind in Partei und Fraktion für Wirtschaftsthemen zuständig. Woher kommt Ihre Fixierung auf den Islam?

Linnemann: Ich habe im Jahr zwischen 60 und 80 Veranstaltungen mit Unternehmern. Vor zehn Jahren wurde ich als Erstes auf Steuerfragen angesprochen, seit einigen Jahren stehen die Themen Integration und Sicherheit im Vordergrund. Soziale Marktwirtschaft ist ja auch ein Gesellschafts- und Wertemodell. Von daher ist es auch für mich als Wirtschaftspolitiker ein unglaublich wichtiges Thema.

SPIEGEL: Ihrer Forderung, auch Bürger mit Migrationshintergrund müssten sich an die Gesetze halten, widerspricht niemand. Warum muss man sie immer wieder erheben?

Linnemann: Weil es in der Praxis anders läuft. Die Zahl der Salafisten hat sich innerhalb von acht Jahren fast verdreifacht, die Zahl der islamistischen Gefährder innerhalb von drei Jahren nahezu verdoppelt. In Mainz wird ein islamischer Kindergarten geschlossen, weil der Trägerverein salafistische Ansichten vertritt. Es gibt Ditib-Moscheen, in denen wird der Märtyrertod verherrlicht. Das sind viele Einzelfälle, die zusammen ein ziemlich beunruhigendes Bild ergeben. Die Grundregeln und Werte unseres Staates werden an vielen Stellen nicht respektiert.

SPIEGEL: Dagegen sollen ausgerechnet neue Gesetze helfen?

Linnemann: Unsere Gesellschaft hat das berechtigte Interesse, dass Bürger, die zu uns kommen, sich integrieren. Dazu muss man ihnen Angebote machen. Aber wenn sie die nicht wahrnehmen, dann sollte das Konsequenzen haben. Das ist vergleichbar mit dem Hartz-IV-System, das Gerhard Schröder eingeführt hat. Fordern und fördern heißt dort das Prinzip. Das brauchen wir auch im Bereich der Integration.

SPIEGEL: Das Integrationsgesetz, das 2016 verabschiedet wurde, steht genau unter dieser Überschrift.

Linnemann: Nur wird dies in der Praxis leider nicht umgesetzt. Wir brauchen individuelle Integrationsvereinbarungen zwischen Flüchtlingen und dem deutschen Staat. Und wer dagegen verstößt, der muss mit Sanktionen rechnen, so wie es bei Hartz IV ja auch ist.

SPIEGEL: Was soll denn in einer solchen Vereinbarung stehen?

Linnemann: Erstens, dass man unsere Werte und Rechtsordnung anerkennt. Zweitens, und das ist der Hauptpunkt, muss es klare Zielvereinbarungen geben. Das können beispielsweise Sprachkenntnisse sein, die zu erwerben sind, oder auch Anweisungen von Behörden, denen Folge zu leisten ist. Und falls diese Zielvereinbarungen nicht eingehalten werden, muss es als dritten Punkt ein Sanktionssystem geben, das auch wirklich greift.

SPIEGEL: Was unterscheidet diese Sanktionen von denen, die es bereits gibt?

Linnemann: Der zentrale Unterschied ist, dass sie auch wirklich verhängt werden. Es muss einen ganz klaren Sanktionsmechanismus geben, von der Umstellung von Geld- auf Sachleistungen bis hin zum Thema Aufenthaltsentzug. Wenn jemand eine Ausbildung macht, und er zeigt während dieser Ausbildung, dass er einfach nicht willens ist, sich zu integrieren, dann muss man darüber reden, dass er auch den Aufenthalt hier langfristig nicht bekommt.

SPIEGEL: Glauben Sie wirklich, das würde die Bereitschaft steigern, sich mit diesem Land zu identifizieren?

Linnemann: Es gibt genügend Flüchtlinge, die sich integrieren wollen. Die brauchen keine Integrationsvereinbarung. Aber die anderen, die Schwierigkeiten haben, die auffallen, die Termine versäumen, bei denen die Jugendämter Alarm schlagen, von denen müssen wir den Integrationswillen einfordern. In der Schweiz gibt es im Übrigen etwas Ähnliches, und es funktioniert.

SPIEGEL: In dem Buch sprechen Sie sich auch dafür aus, den Kulturrabatt im Strafrecht abzuschaffen. Was genau meinen Sie damit?

Linnemann: Es gibt Gerichtsurteile in Deutschland, bei denen die kulturelle Prägung bei einer Straftat als mildernder Umstand gewertet wird, zum Beispiel bei einer Vergewaltigung. Das müssen wir gesetzlich ausschließen. Außerdem leben in unserem Land Männer legal in Viel-Ehe. Auch das können wir nicht hinnehmen.

SPIEGEL: Mehrehen sind in Deutschland bereits verboten.

Linnemann: Das Verbot greift aber dann nicht, wenn die Betroffenen keine deutschen Staatsbürger sind und die Ehen in ihrem Heimatland geschlossen wurden. Ein Syrer beispielsweise hatte seine zweite Ehefrau nachholen lassen. Wir müssen sicherstellen, dass für alle dieselben Regeln gelten.

SPIEGEL: Das von Ihnen angesprochene Problem der Radikalisierung können Sie mit Integrationsvereinbarungen und einem Mehrehenverbot kaum lösen.

Linnemann: Da hilft keine einzelne Regelung, dazu braucht es einen Blumenstrauß an Reformen. Ein ganz wichtiger Schritt wäre ein Visum für religiöse Prediger, das an Deutschkenntnisse gekoppelt ist. Es kann nicht sein, dass wir 2000 Imame in Deutschland haben, die kein oder kaum Deutsch können.

SPIEGEL: Und das würde auch für den katholischen Priester aus Kolumbien gelten?

Linnemann: Ja, wenn er dauerhaft hier predigen will. Die Schweiz beispielsweise geht mit Imamen um wie mit Fachkräften. Das ist ein guter Ansatz.

SPIEGEL: Deutschkenntnisse garantieren keine Verfassungstreue.

Linnemann: Aber sie sind ein erster Schritt ins Wertesystem unseres Landes. Zusätzlich müsste eine umfassende Sicherheitsüberprüfung Teil des Visumsprozesses sein. Drittens müssten die Prediger schriftlich erklären, dass sie unseren Rechtsstaat und unsere Rechtsordnung anerkennen und respektieren.

SPIEGEL: Um radikale Imame kümmern sich bereits die Sicherheitsbehörden.

Linnemann: Dass der Verfassungsschutz in Moscheen aktiv wird, reicht mir nicht aus. Wir müssen präventiv handeln, damit hier erst gar nicht radikal gepredigt wird. Dass eine Moschee geschlossen wird, bringt mir nichts, wenn bereits Gemeindemitglieder radikalisiert wurden.

SPIEGEL: Sie regen auch an, den Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund in Grundschulklassen auf 35 Prozent zu beschränken.

Linnemann: Das ist eine Forderung des Philologenverbands, die einen Aufschrei der Empörung hervorgerufen hat. Dabei ist mittlerweile anerkannt, dass ein hoher Migrantenanteil in Klassen nicht vorteilhaft ist. In Nordrhein-Westfalen haben laut Landesregierung über ein Drittel der Grundschulen einen Migrantenanteil von über 50 Prozent. Es ist im Interesse aller Kinder, darauf zu reagieren.

SPIEGEL: Wie wollen Sie eine solche Begrenzung durchsetzen?

Linnemann: Die praktischen Probleme sind in der Tat beachtlich, vom Bustransfer angefangen. Deshalb halte ich derzeit auch allenfalls einen wissenschaftlich begleiteten Modellversuch für denkbar. Meine Forderung ist eine andere: In vielen Bundesländern wird die Sprachfähigkeit von Vorschulkindern untersucht. Die Kinder, die große Probleme haben, müssen zum Besuch einer Vorschule verpflichtet werden.

SPIEGEL: Mit wem wollen Sie eigentlich diese Forderungen durchsetzen? Mit Ihrem Koalitionspartner wird das schwierig.

Linnemann: Dass der politische Islam bekämpft werden muss, steht sogar im Koalitionsvertrag. Nur reicht es nicht, Dinge anzukündigen, man muss auch etwas umsetzen. Das Thema muss auch im Koalitionsausschuss besprochen werden. Wir müssen da jetzt Druck machen und können nicht aus Rücksicht auf die Sozialdemokraten Probleme ignorieren.