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Babyboom der bildungsfernen Migrantinnen

Von Dorothea Siems Chefökonomin

Quelle: pa/dpa/Marcus Brandt

Zuwanderinnen bekommen deutlich mehr Kinder als hier geborene Frauen. Das gilt aber nur für die Geringqualifizierten. Das deutsche Schulsystem kommt mit diesen Entwicklungen bisher nicht klar.

Die deutsche Bevölkerung wird immer bunter. Das liegt nicht nur an der großen Anziehungskraft, die das Land auf Zuwanderer aus anderen EU-Staaten sowie aus Drittstaaten ausübt. Der gesellschaftliche Wandel hin zu einem Schmelztiegel unterschiedlicher Ethnien wird durch die im Durchschnitt höhere Kinderzahl der Migrantinnen noch beschleunigt. Wie aktuelle Daten des Statistischen Bundesamtes (https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/12/PD19_475_122.html) zeigen, liegt die Geburtenrate bei den in Deutschland geborenen Frauen bei 1,5 Kindern. Die zugewanderten Frauen kommen dagegen auf zwei Kinder. Die Werte beziehen sich auf die Altersgruppe der 45- bis 53-Jährigen.

Deutschland ist angesichts der Alterung der Bevölkerung dringend auf Nachwuchs und Zuwanderung angewiesen, um auch in Zukunft den Wohlstand erwirtschaften zu können. Doch die Datensammlung der Statistiker zu den Familientrends zeigt durchaus auch einige problematische Tendenzen. Denn für Zuwanderinnen gilt mehr noch als für deutsche Frauen, dass sie umso mehr Kinder bekommen, je geringer ihr Bildungsstand ist.

Und während von den hier geborenen Frauen lediglich acht Prozent weder eine Berufsausbildung noch ein Studium vorweisen können, liegt dieser Anteil bei den Migrantinnen mit 41 Prozent deutlich darüber. „Die relativ hohe Kinderzahl je Frau bei den Zuwanderinnen mit niedriger Bildung war somit für die durchschnittliche Kinderzahl aller Zuwanderinnen maßgeblich“, stellen die Statistiker in ihrer Untersuchung zu „Kinderlosigkeit, Geburten und Familien – Ergebnisse des Mikrozensus 2018“ fest.

So haben die im Ausland geborenen Akademikerinnen mit 1,5 Kindern pro Frau fast ebenso wenige Sprösslinge wie deutsche Frauen mit Hochschulabschluss (1,4). Hochgebildete Frauen verzichten hierzulande besonders häufig auf Nachwuchs. Von den Akademikerinnen der Jahrgänge 1959 und 1963 sind 28 Prozent kinderlos. Dies stellt zwar einen historischen Höchststand dar, doch auch die Hochqualifizierten, die ein Jahrzehnt später geboren wurden, blieben zu 26 Prozent ohne Nachwuchs.

Deutschland hat mit die höchste Kinderlosenquote

Die großen Unterschiede zwischen den einheimischen und den zugewanderten Frauen zeigen sich am anderen Ende der Bildungsskala. Bei einer niedrigen Qualifikation liegt die Geburtenrate der im Land geborenen Frauen mit 1,7 deutlich unterhalb der Kinderzahl, die für die Zugewanderten registriert wurde (2,4). Bei einem mittleren Bildungsniveau ist die Differenz zwischen Deutschen und den Migrantinnen (https://welt.de/politik/deutschland/article203658562/Zuwanderung-Migrationsforscher-halten-mehr-legale-Zugangswege-fuer-noetig.html) geringer: Frauen, die über eine Berufsausbildung verfügen und im Land geboren sind, kommen im Durchschnitt auf eine Geburtenrate von 1,5. Bei den Zugewanderten liegt die durchschnittliche Kinderzahl mit 1,8 nur etwas höher.

Deutschland gehört neben der Schweiz, Italien und Finnland zu den Ländern mit der höchsten Kinderlosenquote. Mit 22 Prozent ist hierzulande mehr als jede fünfte Frau ohne Nachwuchs. In der heutigen Rentnergeneration ist diese Quote mit elf Prozent nur halb so hoch. Während die Rate der kinderlosen Akademikerinnen in den vergangenen Jahren leicht zurückgegangen ist, stieg sie bei den Frauen mit einer Berufsausbildung – also beispielsweise Lehre, Meister oder technische Ausbildung – über die Jahre an. Von diesen Nichtakademikerinnen der Jahrgänge 1959 bis 1963 blieben 18 Prozent kinderlos; unter den zehn Jahre Älteren sind es bereits 21 Prozent.

Der wachsende Anteil an Akademikerinnen an der hiesigen Bevölkerung ist ein Faktor, der das durchschnittliche Alter bei der Geburt des ersten Kindes immer weiter ansteigen lässt. Fast die Hälfte der Frauen, die erstmals Mutter wurden, war 2018 zwischen 30 und 39 Jahre alt. Das Durchschnittsalter bei der Erstgeburt liegt mittlerweile bei 30 Jahren.

Dagegen gründen die niedrig Gebildeten häufig schon viel früher eine Familie. Und dies gilt besonders oft für Migranten. Im Durchschnitt haben die 25- bis 34-jährigen Zuwanderinnen mit geringer Bildung bereits 1,4 Kinder. Und in dieser Altersgruppe werden viele der Frauen auch noch weiteren Nachwuchs bekommen.

Ganz anders sieht es bei den hochgebildeten 25- bis 34-Jährigen aus. Sind sie im Land geboren, so liegt ihre durchschnittliche Kinderzahl bei 0,3. Und bei zugewanderten Akademikerinnen mit 0,5 nur geringfügig darüber. Dass die Familiengründung mit steigender Bildung immer länger hinausgezögert wird, hat demografische Folgen. Weil Akademikerinnen nicht nur weniger, sondern auch später Kinder bekommen, haben die Bildungsfernen auch deutlich größere Chancen, früh Großmutter zu werden. Die Gruppe der Bildungsfernen wächst entsprechend schneller.

Wie stark Deutschland von der Zuwanderung profitiert, hängt maßgeblich davon ab, wie gut die Integration ins Bildungssystem und später in den Arbeitsmarkt gelingt. Dabei spielt wiederum der Schulerfolg der Kinder eine entscheidende Rolle. Zuwanderungsländer wie Kanada und Australien, die gezielt qualifizierte Fachkräfte anwerben, schneiden regelmäßig gut bei internationalen Bildungsvergleichen ab. Die zweite Generation der Zuwanderer gehört dort überdurchschnittlich oft zur akademischen Elite.

Deutsches Schulsystem überfordert

In Deutschland sieht die Sache komplett anders aus, zumal hier die Zuwanderung nicht gesteuert wird. Migrantenkindern aus sozial schwachen Familien gelingt der soziale Aufstieg seltener, als dies in anderen Industrieländern der Fall ist. Wie der internationale Pisa-Schülervergleich unter 15-Jährigen gerade erst wieder gezeigt hat, ist die Kluft zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund hierzulande besonders eklatant. Vor allem Sprachprobleme behindern viele Migranten enorm.

Eine Sondererhebung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zu Schulkindern mit Migrationshintergrund hatte im vergangenen Jahr ergeben, dass 54 Prozent der im Ausland geborenen 15-Jährigen nur schwache Leistungen im Lesen, Rechnen und in den Naturwissenschaften erbringen, also etwa nur auf Grundschulniveau rechnen können. Unter den deutschstämmigen Kindern liegt dieser Anteil mit 17 Prozent weit darunter.

Fehlende Deutschkenntnisse sind nicht das einzige, aber nach Einschätzung von Lehrerverbänden und Bildungsforschern ein wesentliches Hindernis für die Migrantenkinder. Denn der Anteil der Jungen und Mädchen, die zu Hause eine andere Sprache sprechen, ist in der ersten Generation mit fast 80 Prozent deutlich höher, als dies in anderen Industrieländern der Fall ist. Selbst in der zweiten Generation – die in Deutschland geboren wurde und deren Eltern zugewandert sind – spricht noch jeder zweite Jugendliche im Elternhaus eine andere Sprache.

Bildungsexperten fordern deshalb seit Längerem verbindliche Sprachstandtests spätestens für Vierjährige und bei Defiziten entsprechende intensive Förderprogramme. Auch ein Kita-Pflichtjahr für alle Vorschulkinder könnte gerade den Kindern aus bildungsfernen Migrantenfamilien einen guten Schulstart erleichtern. Und auch an den Schulen muss die Deutschförderung – wie Pisa erneut gezeigt hat – noch deutlich intensiviert werden.

[–]Weidezaun 2 insightful - 1 fun2 insightful - 0 fun3 insightful - 1 fun -  (0 children)

Nichts Neues. Lediglich in den Ländern Kanada, Australien und Ungarn schneiden Migrantenkinder der ersten Generation genau so gut ab, bzw. sogar leicht besser, als Einheimische. Da Bildungserfolg stark mit IQ korreliert, skaliert das entsprechend bei starker Einwanderung von Menschen mit größtenteils geringem Potential.