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Die Costa-Brava-Masche

Im Spendenskandal seiner Partei gerät AfD-Chef Jörg Meuthen zunehmend unter Druck: Angebliche Wahlkampf-Finanziers entpuppen sich als gekaufte Strohmänner, dem Bundestag wurden offenbar gleich mehrere gefälschte Unterstützerlisten vorgelegt.

Das unmoralische Angebot ereilte Peter Schneider(*) in entspannter Urlaubsatmosphäre. An der sonnigen Costa Brava, unweit des Ferienparadieses Lloret de Mar, hatte der Kaufmann im vergangenen Sommer einen alten Bekannten aus Süddeutschland getroffen. Man sprach über ein Geschäftsmodell der besonderen Art: Schneider könne ohne große Mühe »einen Tausi« verdienen, wenn er im Gegenzug seinen Namen für eine nicht ganz lupenreine Spendenangelegenheit hergeben würde.

Kaufmann Schneider, der in geschäftlichen Dingen wenig Berührungsängste mit der deutschen Justiz hat, willigte ein. Wunschgemäß bestätigte er, für die Wahlkampfkampagne eines gewissen Jörg Meuthen eine hohe vierstellige Summe zur Verfügung gestellt zu haben. Nachdem Schneider eine entsprechende Erklärung unterzeichnet hatte, sei der versprochene Lohn geflossen, berichtet er. Daheim in Deutschland habe er dann die 1000 Euro erhalten, »in cash«.

An die spanische Urlaubsepisode erinnert sich der Kaufmann heute nur noch ungern: Als ihn Reporter des SPIEGEL und des ARD-Politikmagazins »Report Mainz« am Dienstag zu der gefälschten Zuwendungsbescheinigung für Meuthen, den Bundesvorsitzenden der AfD, befragten, bestätigte Schneider erst nach einigem Zögern, dass er sich als Strohmann habe anheuern lassen. Die ganze Sache habe er auch schon dem baden-württembergischen Landeskriminalamt erklären müssen; Anfang des Jahres sei er als Zeuge vernommen worden. Dass er sich im Sommer 2018 auf den Deal mit der Spendenquittung eingelassen habe, sei ein großer Fehler gewesen, sagt Schneider. Im Nachhinein habe sich das Geschäft als »Griff in einen großen Misthaufen« erwiesen.

Zu einer ganz ähnlichen Einschätzung dürfte dieser Tage auch die AfD-Spitze kommen. Die brisanten Bekenntnisse von Schneider und weiteren Zeugen treffen die Rechtspopulisten zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Neun Wochen vor der Europawahl steht der AfD – die ohnehin schon von einem Spendenskandal um Fraktionschefin Alice Weidel belastet ist – nun auch noch eine Strohmann-Affäre ins Haus. In deren Zentrum steht mit Meuthen ausgerechnet der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl.

Die AfD sieht sich selbst als »die einzige Rechtsstaatspartei in Deutschland«. Seit ihrer Gründung wettern ihre Politiker gegen das Finanzgebaren der vermeintlich verkommenen »Altparteien«. Nun steckt die »Alternative für Deutschland« selbst in einem Sumpf aus fragwürdigen Spenden und dubiosen Geldgebern. In mehreren Bundesländern und in der Schweiz beschäftigen die Vorgänge auch die Justiz.

Ausgangspunkt der neuen Affäre ist eine umstrittene Werbekampagne, die Meuthen 2016 den Weg in den baden-württembergischen Landtag ebnen sollte. Organisiert wurde sie von der Schweizer PR-Firma Goal AG, die von dem deutschen Politwerber Alexander Segert geleitet wird, einem Freund Meuthens.

Aus dem Umfang und Wert der Kampagne hatten die Freunde lange ein Geheimnis gemacht – bis Meuthen jüngst mit überraschenden Neuigkeiten aufwartete: In einem Interview mit der »Welt« räumte der AfD-Chef nicht nur ein, dass die Wahlkampfhilfe aus der Schweiz wesentlich höher ausfiel als bislang angenommen. Fast 90 000 Euro habe die Kampagne gekostet, inklusive Zeitungsinseraten, Flyern und Werbeplakaten, verriet Meuthen. Und noch mehr: Die Kosten, das wisse er von Segert, hätten »zehn Unterstützer« übernommen, die der Goal AG jeweils »Beträge zwischen 6000 und 9700 Euro« zur Verfügung gestellt hätten.

Nun zeigt sich, dass Meuthen seinem Freund Segert vielleicht zu sehr vertraut hat. Die Interviewaussagen des AfD-Manns über seine Spender dürften kaum zu halten sein: Nach gemeinsamen Recherchen von SPIEGEL und »Report Mainz« sind mehrere angebliche Kampagnen-Finanziers von Meuthens Liste in Wahrheit Strohmänner.

Nach übereinstimmenden Angaben von Personen, die mit dem Vorgang vertraut sind, haben mehrere der angeblichen Gönner in Vernehmungen durch das baden-württembergische Landeskriminalamt bestritten, jemals Geld für die Meuthen-Kampagne der Goal AG gegeben zu haben. Stattdessen hätten sie sich – so wie Peter Schneider – nur als Spender ausgegeben und dafür teilweise Geld erhalten. Gleichlautende Angaben machten mehrere der Strohleute selbst.

Wer Meuthens Schweizer Wahlkampfhilfe tatsächlich finanziert hat, ist nun wieder völlig offen. Fest steht, dass der oder die Geldgeber offenbar großen Wert auf Diskretion legten und zur Wahrung ihrer Anonymität auch vor kriminellen Methoden nicht zurückschreckten.

Meuthen beteuert, dass »nach unserer sorgfältig gesicherten Rechtsauffassung« die Unterstützung der Goal AG »keine Spende« im Sinne des Parteiengesetzes sei. Unterdessen prüft die Staatsanwaltschaft Stuttgart im Zusammenhang mit der Werbekampagne für Meuthen die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, wie ein Behördensprecher auf Anfrage bestätigte.

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Teil 2:

Als EU-Abgeordneter ist Meuthen zwar vorerst vor Strafverfolgung geschützt. Doch sollte die Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht gegen den Spitzenkandidaten erkennen und die Aufhebung seiner Immunität beantragen, wäre es für die AfD ein Desaster.

Dabei sind die Stuttgarter Vorermittlungen nicht das einzige Risiko für Meuthen und seine Partei. Mittlerweile prüft die Bundestagsverwaltung mehrere größere und kleinere Spendenkomplexe der AfD, in deren Zusammenhang immer wieder die Goal AG auftaucht. Hat die Partei Gelder oder Leistungen erhalten, die sie entweder nicht richtig deklariert hat oder die gar als illegale Parteienfinanzierung gewertet werden müssen? Kämen die Beamten des Bundestags zu diesem Ergebnis, würde dies hohe Strafzahlungen nach sich ziehen.

Auf dem Papier bemüht sich die AfD um die bestmögliche Kooperation mit der Bundestagsverwaltung, deren Prüfungen gleich drei AfD-Spitzenfunktionäre betreffen: Jörg Meuthen, die Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel und den NRW-Europakandidaten Guido Reil. Für alle drei Finanzkomplexe hatte die AfD in der Schweiz Listen der Finanziers und Zuwendungsbeträge angefordert. Nun rächt sich, dass diese Listen offenbar ungeprüft an die Bundestagsverwaltung weitergereicht wurden – jetzt liegen sie bei diversen Staatsanwaltschaften.

Im Endspurt vor der Europawahl kann die Finanzaffäre gefährlich für die AfD werden. In einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen zur Europawahl sank die AfD in der vergangenen Woche das erste Mal seit Monaten unter 10 Prozent. Auch im Bund stehen die Rechtspopulisten mit rund 12 Prozent schlechter da, als sie es sich nach den letzten Wahlerfolgen ausgerechnet hatten.

Die Partei hat in ihrer noch jungen Geschichte schon diverse Affären angesammelt. Da geht es nicht nur um Strohmann-Vorwürfe, sondern auch um die fragwürdige Anschubfinanzierung der Partei über eine Münchner Werbeagentur (SPIEGEL 48/2018), um mysteriöse Zuwendungen einer niederländischen Stiftung, um einen parteieigenen Goldshop, einen exklusiven Moskau-Trip von AfD-Funktionären im Privatjet – und nicht zuletzt um die Rolle eines ominösen »Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten«. Dieser machte seit 2016 mithilfe von groß angelegten Plakataktionen und flächendeckend verteilten Wahlkampfzeitungen Stimmung für die AfD.

Woher das Geld für die millionenschwere Propaganda stammte, die oft kaum von der offiziellen AfD-Werbung zu unterscheiden war, blieb bis heute im Dunkeln. Gesteuert wurden die Vereinstätigkeiten maßgeblich von ebenjener Goal AG, deren Aktivitäten die AfD jetzt in ernsthafte Schwierigkeiten bringen könnten.

Angesichts drohender Strafzahlungen (siehe Grafik Seite 24) will die AfD nun Gelder einfrieren, um für mögliche Sanktionen gewappnet zu sein. Der Konvent, das höchste Gremium der Bundes-AfD zwischen den Parteitagen, trifft sich am kommenden Wochenende, um darüber zu entscheiden. Laut eines internen Schreibens des Bundesvorstands soll unter anderem beschlossen werden, »für Zahlungsverpflichtungen, die sich aus laufenden Verfahren bei der Bundestagsverwaltung ergeben können«, eine Rücklage von einer Million Euro zu bilden.

In Partei und Fraktion ärgern sich hinter vorgehaltener Hand einige, dass die AfD womöglich die Kollektivhaftung für die Verfehlungen einzelner Funktionäre übernehmen muss, die sich aus trüben Quellen Privatkampagnen spendieren ließen. Deshalb wird der AfD-Konvent auch über eine Änderung der Finanzordnung beraten: Falls die Bundespartei Strafen nach dem Parteiengesetz »schuldhaft verursacht«, heißt es im Entwurf, soll sie gegenüber den Landes- und Ortsverbänden »für den daraus entstehenden Schaden« haften. Die Haftung soll auch umgekehrt gelten. So müssten nicht alle Ebenen der AfD für die Eskapaden von Meuthen und Weidel geradestehen.

Die neuen Strohmann-Vorwürfe dürften diese Stimmung noch befeuern, zumal die angeblichen Finanziers der Schweizer Wahlkampfhilfen bei näherer Betrachtung alles andere als typische Parteispender sind: Auf den Listen stehen fünf Mitglieder einer Familie aus dem Rhein-Main-Gebiet, darunter eine pflegebedürftige Seniorin und ein Hartz-IV-Empfänger. Alle sollen falsche Quittungen signiert haben.

Bei dem Bekannten von Peter Schneider, der ihm das verlockende Angebot unterbreitet haben soll, handelt es sich den Ermittlungen zufolge um einen 60-jährigen Mann aus dem Rhein-Main-Gebiet, der vor Jahren nach Spanien ausgewandert ist. Hier residiert der ehemalige Geschäftsführer einer hessischen Marketingfirma in der Provinz Girona, in einer weiß verputzten Casa mit Meerblick. Gegenüber »Report Mainz«, dessen Reporter ihn vor seinem Haus trafen, lehnte der Mann am Mittwoch jede Stellungnahme zu den Vorwürfen ab.

Wer hinter dem Täuschungsmanöver mit den falschen Quittungen steckt, ist unklar. Bemerkenswert ist jedoch der Umstand, dass die Dienste mancher Strohmänner im Jahr 2018 offenbar gleich mehrfach für die Verschleierung von Zuwendungen in Anspruch genommen wurden. So tauchten mehrere angebliche Meuthen-Unterstützer später auch auf der Spenderliste für Alice Weidel auf. In ihrem Fall geht es um mehr als 130 000 Euro, die im Bundestagswahlkampf an den Kreisverband der heutigen AfD-Fraktionschefin geflossen sind (SPIEGEL 9/2019).

Sowohl die Bundestagsverwaltung als auch die Staatsanwaltschaft Konstanz prüfen die fragwürdige Großspende; ermittelt wird auch gegen Weidel selbst. Die Fraktionschefin weist die Vorwürfe zurück.

Ihr Kreisverband hatte den Großteil des Betrags erst Monate nach der für Weidel erfolgreichen Bundestagswahl an den offiziellen Absender zurücküberwiesen – eine Pharmafirma aus Zürich, die sich jedoch nur als Fassade erwies. Beim Bundestag gab die AfD später an, dass das Geld laut Angaben der Pharmafirma von 14 Einzelspendern aus Deutschland, Spanien und Belgien gestammt habe.

Auf der entsprechenden Liste, die die AfD offenbar auch ungeprüft an den Bundestag schickte, findet sich sowohl der Name von Peter Schneider als auch der seines nach Spanien ausgewanderten Bekannten. Wenn also die Strohmänner der Meuthen- und der Weidel-Spende teilweise dieselben sind – waren auch die Hintermänner und wahren Geldgeber identisch?

Mindestens eine weitere Namensüberschneidung gibt es den Ermittlungen zufolge auch mit einer dritten AfD-Unterstützerliste. Darauf stehen die Namen von sechs vermeintlichen Gönnern, die sich an der Finanzierung einer Kampagne für den AfD-Politiker Guido Reil beteiligt haben sollen. Reil steht heute auf Platz zwei der AfD-Liste für die Europawahl, nachdem er 2017 erfolglos für den nordrhein-westfälischen Landtag kandidiert hatte. Auch er ließ sich damals wie zuvor Jörg Meuthen von der Schweizer Goal AG helfen, mit Wahlwerbung im Wert von 44 500 Euro.

Wegen der womöglich illegalen Verbuchung dieser Kampagne durch die AfD hat die Staatsanwaltschaft Essen am Dienstag ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Parteiengesetz eingeleitet – es richtet sich zunächst gegen »unbekannt«.

In dem Geflecht von Spenden und Strohmännern könnte wohl vor allem eine Person für Aufklärung sorgen: Goal-Chef Alexander Segert. Bemerkenswert viele Finanzaffären der AfD scheinen letztlich zu Segerts Firma zu führen. Doch der Goal-Chef schweigt beharrlich. »Zu laufenden Verfahren«, erklärte er auf Anfrage, »nehmen wir grundsätzlich keine Stellung.« Ein AfD-Sprecher teilte mit, Segert habe erst Anfang März die »Namen und Beträge der Kostenübernehmer« in den Fällen Meuthen und Reil »noch einmal schriftlich bestätigt«.

Auch AfD-Chef Meuthen klammert sich an das Wort seines Freundes: Segert habe ihm »die bereits im August 2018 übermittelte Liste von Unterstützern« für seinen Wahlkampf von 2016 »schriftlich und verbindlich bestätigt«, betont Meuthen. »Darauf durften und dürfen wir uns verlassen.«

Jetzt müssen nur noch die Staatsanwaltschaft und Bundestagsverwaltung diese Auffassung teilen.

  • Name geändert.

** Vorsitzender des »Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten«.

[–]Papierneger 2 insightful - 1 fun2 insightful - 0 fun3 insightful - 1 fun -  (0 children)

Ok, sie haben also anonyme Spenden angenommen und ordentlich deklariert. Sehe das Problem nicht. Bei den Repressalien, die das Merkelregime auffährt, würde ich auch nur anonym spenden wollen.