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[–]papiersackratte[S] 1 insightful - 1 fun1 insightful - 0 fun2 insightful - 1 fun -  (0 children)

In diesem Licht erscheinen die drei dargestellten Typen Islamkritiker in ganz neuem, klarem Lichte: Der Überzeuger, das ist der Diplomat, der auf gütliches Auskommen und Interessenausgleich Hoffende, der böse und angriffslustig erst wird, wenn ihm zuvor ein Unrecht getan wurde; wie sonst sähe seine “fundamentale Islamkritik” stets so aus, dass sie die “Ideologie” komplett ablehnt, den einzelnen Moslem aber zu akzeptieren bereit ist? Die Mitfühlende – meist ist es zumindest charakterlich eine Frau – was ist ihre Sorge um die armen, unterdrückten Kopftuchträgerinnen anderes als die Angst, wenn nicht der mütterliche Schutzinstinkt, um die schwachen Angehörigen der eigenen Gruppe? Wofür zusätzlich sprechen würde, dass es so häufig Ex-Muslime sind, weitgehend assimilierte Einwanderer also, die die Schwachen ihrer neuen Identität in denen ihrer alten erkennen können. Schließlich der Boomer mit der Israelflagge, ist es nicht sein Bedürfnis, für eine, für seine Gruppe zu jubeln, sie zu unterstützen, ihren jungen Kämpfern beim erfolgreichen Abwehrkampf beizustehen? Und, vor diesem Hintergrund betrachtet, der Fußballfan gegen Salafisten, die um Deradikalisierung bemühte Schulleiterin, der verschüchtert hinter dem Rücken seiner südländischen Mitschüler halal- und haram- Witze reißende Jugendliche. Was drückt sich in ihrem Verhältnis zum “Islam” anderes aus als der sublimierte, zur ideellen Chiffre gewordene Abwehrreflex, Überlebensinstinkt, vor dem Fremden?

Was sie alle eint, ist zweierlei: Erstens, der “Islam”, dieses eigentlich in seinen angestammten Ländern doch recht urige und, im Sinne einer Selbstverwaltung, relativ gut funktionierende politisch-religiöse System zur Beherrschung arider Landstriche, ist für alle seine nicht-islamischen Kritiker vor allem ein symbolischer Stellvertreter für die Erfahrung der eigenen schrittweisen Verdrängung; das Beharren auf seiner grundsätzlichen Kritisierbarkeit ist gleichsam die Anrufung der universalistischen Idee gegen ihre multikulturelle Realität. Der Reiz dieser Übungen in Islamkritik ist im Wesentlichen, dass man eine Ersatzbefriedigung für den urmenschlichen Trieb zur Selbsterhaltung erhält, für die man jedoch viel geringere Risiken trägt als für die tatsächliche Verteidigung der eigenen Identität, und die man folglich sozusagen als Hobby neben Karriere und Familie betreiben kann. Nicht, dass man gar keine Risiken einginge, denn auf der anderen Seite kann das eigentlich gesendete Signal durchaus unverschlüsselt ankommen; und doch bietet die “Islamkritik” nicht wenigen ihrer Praktikanten eine zumindest psychologisch durchaus adäquate Möglichkeit, das Eigene rein imaginär zu verteidigen.

Zweitens, was allen Islamkritikern fehlt – und es handelt sich dabei wirklich ausnahmslos entweder um autochthone Europäer oder um geradezu komisch perfekt assimilierte Migranten – ist ein positiver, starker, gesunder Bezug zur eigenen Identität, und dies kann nur bedeuten zur eigenen Identität als Deutsche, Franzosen, Engländer, etc. Die europäische ist die Mutter dieser Identitäten, aber sie hat keinen wirkmächtigen Bezugspunkt; der christliche Glaube stiftet Trost und Heil, eignet aber nicht zur pseudonationalen Identität. Jeder Versuch, einer “Islamisierung” mit “westlichen Werten” zu begegnen, muss ebenso scheitern wie die Bekämpfung eines Hausbrandes durch Filtern der Luft (gegen Rauchgestank): Es sind luftige, merkwürdig intellektualistische und impotente Versuche, den realen Konflikt um die Ersetzung ethnischer Gruppen auf einer virtuellen Ebene beizulegen, als wäre irgendetwas gewonnen, wenn in allen Talkshows und Zeitungen das, was sowieso alle fühlen, dadurch bekräftigt wird, dass irgendwelche Suren und Hadithe präsentiert und diskutiert werden.

Es ist nicht die Schuld irgend eines pakistanischen oder algerischen Moslems, dass die westeuropäischen Völker sich ihrer eigenen ethno-kulturellen Identität schämen, ja, sie aktiv abzuschaffen sich bemühen. Kein Syrer, der der Einladung offener Grenzen und reichlicher Willkommenstüten folgt, trägt Schuld am deutschen Ethnomasochismus. Kein nicht-assimilierter Ausländer trägt irgendeine Verantwortung dafür, dass die Gastgebergesellschaft und ihr Staat über Generationen hinweg zugesehen haben, wie sich mitten in ihren Städten ganze Stadtteile zu Parallelgesellschaften entwickeln. Es ist einzig und allein unsere Schuld, es so weit kommen gelassen zu haben, insbesondere und an erster Stelle das Versagen unserer Eliten, dann das Versagen der großen Wählermassen, die Jahr für Jahr dieselben Narrative glauben und absegnen. Die Revolte gegen die replacement migration richtet sich ebenso wenig gegen äußere Feinde wie gegen vermeintliche Hintergrundakteure. Sie ist im engeren Sinne überhaupt nicht gegen irgendeinen Feind gerichtet, sondern streitet dezidiert zukunftsgewandt, stark und fröhlich – wie ihre besten Vorkämpfer – für ein positives Verhältnis zur eigenen Identität, für nationalen Zusammenhalt und kinderreiche, glückliche Familien, schließlich für eine Gesellschaft, in die sich Fremde nicht nur assimilieren sollen, sondern auch assimilieren können, weil es eine starke Gesellschaft ist, die sich selbst liebt und bereit ist, das Eigene gegen jede Infragestellung zu verteidigen und mit den Völkern der Welt in Frieden zu leben. Dafür streitet friedlicher, legaler, patriotischer Aktivismus; überlasst die “Islamkritik” den pessimistischen Spiegelfechtern.

Nachtrag:

Es gibt einen letzten Typ von “Islamkritiker”, der oben nicht erwähnt wird, weil er im Gegensatz zu den anderen nicht das Potential in sich trägt, durch positiven Bezug zur eigenen Identität vom Kritiker zum Schöpfer und Erhalter sich zu wandeln. Es handelt sich dabei um denjenigen Typus, der ernsthaft glaubt, der Islam sei das größte Übel auf der Welt, und dies nicht nur situationsbedingt – etwa weil er in einem stark islamisierten Stadtteil wohnt – sondern grundsätzlich. Ein solcher “Islamkritiker” kann beispielsweise in der wunderschönen bayrischen Kleinstadt sitzen und sich ernsthaft vorstellen, der islamistische Einfluss in Westpakistan oder im Norden Nigerias wäre das größte Problem auf der Welt; und damit soll keineswegs die sehr humane und lobenswerte Sorge um Mitmenschen auch in anderen Erdteilen diffamiert werden, sondern vielmehr die Geisteshaltung, die alles Übel auf der Welt in einem einzigen, klar bestimmbaren, scheinbar jederzeit (an)greifbaren Feind zu vereindeutigen weiß. Die vielfach bemühte – und oft vollkommen ungerechtfertigte – Analogie zwischen Antisemitismus und Islamfeindschaft trifft immer dann zu, wenn dort, wo der Antisemit überall “den Juden” und sein böses Spiel ausfindig zu machen meint, der Islamfeind überall “den Islam” am Werke sieht. Der Autor ist sich sehr wohl bewusst, dass in dem einen Falle Menschen, in dem anderen eine Religion hinter allem Bösen auf der Welt imaginiert wird, und doch sind die Parallelen zu eindeutig, um sie hier nicht zu erwähnen. Es ist dieses manichäische Denken, dessen uns der metapolitische Gegner laufend überführen will, und jenes Denken ist tatsächlich nichts als ein Zerrbild der herrschenden multikulturellen Ideologie, die einzige vorgesehene Form des Dissenz – gerade weil sie so falsch ist.